Energiestrategie 2040: Erfolgreicher digital-regionaler Treffpunkt der Windenergiebranche Berlin-Brandenburg

Mehr als 500 Interessierte hatten am 17. Mai 2021 auf dem Branchentreffpunkt Berlin/Brandenburg die Gelegenheit, mit Politik und Verwaltung über die Weichenstellung für die Energiestrategie bis 2040, den Klimaplan und die Regionalplanung zu diskutieren. Das Länderspezial des BWE rund um die brandenburgische Energiewende zeigte auf, welche Chancen der Strukturwandel im Land mit sich bringt. Wirtschaftsminister Prof. Dr. Jörg Steinbach betonte in seinem Impulsvortrag, dass die Landesregierung am Ausbau der Erneuerbaren Energien festhält. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der daraus folgenden Anpassung des Klimaschutzgesetzes durch die Bundesregierung habe man sich endgültig von der Verbrennung fossiler Medien zur Stromerzeugung verabschiedet. Es gehe nun darum, den Ausbau Erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Das Land Brandenburg werde den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung weiterhin mit aller Kraft verfolgen.

In der Podiumsdiskussion „Energiestrategie 2040“ kam mit Dr. Robert Preusche, Leiter Transformation Erneuerbare Energien bei BASF/ Schwarzheide GmbH, die energieintensive Industrie zu Wort. BASF habe, so Preusche, die Herausforderung Energiewende mit einer „Strategie der energetischen Produktion“ angenommen. Das erklärte Ziel für das gesamte weltweit agierende Unternehmen sei es, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 25 Prozent zu reduzieren. Bis 2050 will BASF klimaneutral sein. Das bedeutet, an verschiedenen Fronten Technologien zu entwickeln, um Erneuerbare Energien in die Industrieprozesse zu integrieren. Einer der größten Industriestandorte in Brandenburg, Schwarzheide, soll zum Pilotprojekt der Energiewende avancieren.

Herausforderung Akzeptanz

Die Transformation zum Strommix allein aus Erneuerbaren Energien bedeutet auch, dass künftig mehr Strom gebraucht wird. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien lastet vor allem auf der Windenergie. Der Ausbau gelingt jedoch nur bei gleichzeitiger Steigerung der Akzeptanz. Wenn auch die Mehrheit den Ausbau befürwortet, sieht es anders aus, wenn dies in der Nachbarschaft geschieht. Hier ist deutlich mehr Aufklärung zu leisten: Es gilt, die Beteiligten vor Ort früher in die Planung einzubeziehen. Auch sollten die Möglichkeiten der Nachteilskompensation für Kommunen bei der Installation von Windenergieanlagen besser genutzt werden, um die Akzeptanz schnell und langfristig zu verbessern. Der Dialog erfordert einen neuen, individuellen Blick auf die Energiewende. Es geht darum, Allianzen im Bereich der Verbraucher zu schmieden, um in der Breite die Überzeugung zu verankern, dass die Energiewende nötig ist und die Windenergie als Chance verstanden wird. Eine neue Dialog- und Kommunikationskultur ist erforderlich, um gesellschaftliche Gruppen zu gewinnen, die das Thema weitertragen – von Sportverbänden, kirchlichen Institutionen, Gemeinden, Kommunalvertretern bis zu Studierenden der Fachbereiche Rechtswissenschaften und Soziologie.

Wir haben im Anschluss an den Branchentreffpunkt mit Prof. Dr. Steinbach gesprochen.

BWE: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um die Akzeptanz von Windenergieanlagen in brandenburgischen Kommunen zu stärken? Welche Stellschrauben können hier genutzt werden, damit Kommunen vom Ausbau direkt profitieren?

Prof. Jörg Steinbach:

Das Land Brandenburg hat bereits Maßnahmen zur Stärkung der Akzeptanz ergriffen. Im Jahr 2019 wurde in Brandenburg das Gesetz zur Zahlung einer Sonderabgabe an Gemeinden im Umfeld von Windenergieanlagen (Windenergieanlagenabgabengesetz-BbgWindAbgG) eingeführt. Nach dem BbgWindAbgG sind Betreiber von Windenergieanlagen, die ab 2020 einen Zuschlag bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur erhalten haben, zur Zahlung einer jährlichen Sonderabgabe an Gemeinden im Umkreis von 3 km (flächenanteilig) in Höhe von 10.000 Euro verpflichtet. Insgesamt wurden im Jahr 2020 95 Windenergieanlagen in Brandenburg bezuschlagt. Ab Inbetriebnahme werden nach jetzigem Stand 950.000 Euro pro Jahr von den WEA-Betreibern an die Gemeinden gezahlt.

Im Jahr 2019 wurde die Beratungsstelle für erneuerbare Energien bei der WFBB-Energie (jetzt Energieagentur) eingerichtet. Hierbei kooperiert die Energieagentur mit dem Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende (KNE). Während die Energieagentur schwerpunktmäßig Beratungen bei technischen Fragestellungen durchführt, betreut die KNE Konfliktfälle vor Ort und versucht durch eine neutrale Moderation, dass sich die Konfliktparteien aufeinander zu bewegen und einen tragfähigen Kompromiss finden.

Die Energieagentur hat für Brandenburger Kommunen eine modular aufgebaute Veranstaltungsreihe „Kommunale Energiewende Dialoge“ mit zehn Informationsmodulen rund um die erneuerbaren Energien entwickelt. Interessierte Kommunen können sich ein oder zwei dieser Module als Veranstaltungsformat kostenfrei buchen, um in einer für die Kommune maßgeschneiderten Veranstaltung vor Ort oder online eigene Mitarbeitende und kommunale Mandatsträger zum Thema zu informieren und fortzubilden und lokale Problemstellungen zu diskutieren. Ziel ist, die Entscheidungsfindung zur Umsetzung von kommunalen Projekten zu unterstützen und die Projektentwicklung zu befördern.

Hinzu kommt, dass kleinere Gemeinden mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regionalplanung und zur Braunkohlen und Sanierungsplanung vom 30. April 2019 mehr Mitwirkungsrechte - durch Absenkung der Einwohnerzahl auf 5.000 - in Regionalversammlungen erhalten haben.

Des Weiteren ist ein Windabstandgesetz in der Erarbeitung. Dieses wird einen Mindestabstand von 1.000 m von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung festlegen.

BWE: Es gibt bereits interessante Projekte der Cluster Energietechnik. Gibt es hier auch Windenergie-Projekte bzw. sind welche geplant?

Prof. Jörg Steinbach:

Das Clustermanagement des Clusters Energietechnik unterstützt das Projekt „Havelstoff“ im Aufbau einer industriellen Wasserstoffproduktion. Das Konsortium arbeitet an der Planung, Finanzierung, Konstruktion, Entwicklung und Produktion einer Plasma-Vergasungsanlage in Premnitz, die jede Art von Stoffen thermisch verwerten und über die Verarbeitung des entstehenden Synthesegases Industriegase, insbesondere Wasserstoff herstellen kann. Einer der besonders interessanten Inputstoffe für die Anlage sind Rotorblätter ausgedienter Windkraftanlagen. Außerdem arbeitet das Clustermanagement an lokalen Energiekonzepten zur Nutzung von regionalem grünen Strom ohne Direktleitung. Ziel ist, bestehende Unsicherheiten und Innovationshürden zu überwinden und erste Projekte zu initiieren. Windenergie ist einer der Energielieferanten in diesem Projektansatz.

BWE: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie für den forcierten Ausstieg aus der Braunkohle? Und wie kann das qualifizierte Personal aus dem Braunkohle-Sektor in den neuen Kompetenzbereich der erneuerbaren Energien umgesiedelt werden?

Prof. Jörg Steinbach:

Im Ergebnis der Arbeit der WSB-Kommission und der Verständigung zum Kohleausstieg in Deutschland bis zum Jahre 2038 ist ein gesamtgesellschaftlicher Konsens erarbeitet worden. Klar ist damit aber auch, dass dieser Konsens einen forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien benötigt, um weiterhin den Bedarf an Energie in Deutschland zu decken. Dazu soll künftig der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt und verstärkt werden. Das nun novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2021) beinhaltet u.a. das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65% am Bruttostromverbrauch zu steigern. Ziel des Gesetzes ist es auch, dass bis zum Jahr 2050 der gesamte Strom in Deutschland, der erzeugt oder verbraucht wird, treibhausgasneutral erzeugt wird. Des Weiteren müssen Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt werden, um den allgemeinen Bedarf zu senken. Beide Thematiken werden in der kommenden Energiestrategie des Landes Brandenburg eine wesentliche Rolle spielen. Da sich die Fortschreibung der Energiestrategie derzeit in der Entwicklung befindet, können noch keine konkreten Maßnahmen genannt werden.

Personal, das im Zuge des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung zukünftig nicht mehr im Braunkohlesektor beschäftigt werden kann, in anderen Wirtschaftsbereichen wie den erneuerbaren Energien einzusetzen, kann nur über entsprechende Qualifizierungen gelingen. Gleiches gilt für Beschäftigte aus anderen Branchen in und außerhalb der Lausitz, denen auf diese Weise der Weg in eine neue Beschäftigung eröffnet werden könnte. Dies haben bereits einige Unternehmen erkannt und entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit der LEAG zur gemeinsamen Ausbildung, Qualifizierung und zur Gestaltung von Beschäftigungsperspektiven geschlossen.

Aus der Entwicklung und Etablierung von klimaschonenden, umwelt- und sozialverträglichen Produkten und Prozessen erwachsen neue Herausforderungen und Aufgaben für Bildung, Ausbildung und das lebenslange Lernen. Berufsbilder und Anforderungsprofile verändern sich ebenso wie die Anforderungen an Qualifikationen und Kompetenzen. Dies muss auch durch die Bildungsträger in der Region gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen antizipiert werden. Nach meiner Kenntnis sind hier entsprechende vernetzte Aktivitäten in der regionalen Bildungsträgerlandschaft im Bereich der erneuerbaren Energien bereits in Vorbereitung.