Das Ruder rumreißen? Über Klimawandel, Fridays for Future und "Wutbürger"

Interview mit Thomas Ranft, klimabewanderter Wahlhesse und Moderator des 3. Windbranchentags Rhein/Main/Saar

Thomas Ranft, Jahrgang 1966, lebt mit seiner Familie in der Wetterau. Der Wahlhesse begann bereits nach dem Abitur beim Hörfunk als Moderator. Seit 1997 moderiert er im Ersten und im HR-Fernsehen Wetter- und Klimasendungen aller Art sowie die unterschiedlichsten Formate und Veranstaltungen, meist im Bereich Klimawandel, Erneuerbare Energie, Mobilität und Nachhaltigkeit.

Herr Ranft, kann die Bewegung „Fridays for Future“ die Energiewende doch noch voranbringen?

Thomas Ranft: Selbstverständlich. Die Bewegung „Fridays for Future“ erreicht Menschen, die dem Klimawandel bisher unentschlossen gegenüberstanden. Meiner Meinung nach entsteht gerade eine andere Grundstimmung in der Bevölkerung. Viele verstehen endlich, wie dramatisch die Lage wirklich ist, dass wir handeln müssen – auch wenn es weh tut. Entscheidend ist doch: Wenn wir politische Veränderungen wollen, dann müssen sie von der gesamten Bevölkerung mitgetragen werden. Unsere Laissez-faire-Lebensweise, die wir uns jahrelang erlaubt haben, geht so nicht mehr. Nach dem Motto: lass die „da oben“ mal machen, Hauptsache wir leben weiter wie bisher. Fridays for Future zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns politisch stärker engagieren, uns auch streiten. Und dafür einsetzen, dass wir eine Zukunft haben, die noch lebenswert ist.

Auf welche Weise können wir bei Politikern mehr Aufmerksamkeit für den Ausbau der Erneuerbaren Energien generieren?

Thomas Ranft: Ich kann verstehen, dass Politik permanent abwägen muss, sie ist immer ein Kompromiss. Es gibt nun mal Sachzwänge, die dem Ausbau der Erneuerbaren Energien entgegenstehen – in der Kohlewirtschaft arbeiten auch viele Menschen. Tatsächlich aber muss man stetig Politiker darauf hinweisen, dass sie das große Ganze nicht aus dem Blick verlieren dürfen, dass es Themen gibt, die klare Entscheidungen erfordern. Das ist u.a. beim Ausbau der Erneuerbaren Energien der Fall. Wir können es uns nicht leisten, mit CO2-intensiven Erzeugungsmethoden weiter zu machen. Der Klimawandel verbietet uns das regelrecht. Nun geht es nur noch darum, die Energiewende konsequent umzusetzen. Und zu sagen: Wir gehen in die Erneuerbaren, federn die Nachteile, die andere Branchen betreffen, ab. Dafür müssen wir jetzt jeden Politiker wachrütteln, bei jedem Gespräch, jeden Tag.

Wie sollte man Ihrer Meinung nach den sogenannten Wutbürgern begegnen?

Thomas Ranft: Fakt ist: Der Mensch trifft alle seine Entscheidungen im limbischen System, es ist das „emotionale Gehirn“. D.h. es geht immer um das gute Gefühl. Wenn wir das verstehen, wissen wir auch, wie wir Entscheidungen treiben können: Wir müssen ein gutes Gefühl schaffen. Das ist auch die Aufgabe derer, die sich etwa für Erneuerbare Energien einsetzen. Da bringt es nichts, auf Fakten zu setzen, die gibt es ohnehin. Wir sollten stattdessen mehr miteinander reden, streiten, aufeinander zugehen. Nicht jede Windanalage ist schön, das darf man nicht negieren, nur damit es gut klingt. Nur mit Ehrlichkeit, Vertrauen, Loyalität und der Bereitschaft zuzuhören, können wir Menschen erreichen, sie dazu bringen, Entscheidungen zu folgen. So absurd Argumente der Wutbürger sind, wir müssen ihre Ängste verstehen; herausfinden, was sie antreibt, sie emotional erreichen. Und zulassen, dass sie ausreden dürfen. Dennoch sollten wir klare Grenzen aufzeigen, Wutbürger haben nicht Recht und sind eine kleine Minderheit.

Wie dramatisch schätzen Sie persönlich den Klimawandel ein?

Thomas Ranft: Je tiefer man in dieses Thema einsteigt, was ich aufgrund meiner Sendung („alle Wetter“, Anm. d. Red.), seit zwanzig Jahren tun darf, umso dramatischer zeichnet sich dieses Bild. Uns muss klar sein: CO2 ist ein Gas, das tausende Jahre in der Atmosphäre bleibt. Was wir jetzt anrichten, ist für lange Zeit unumkehrbar. Und wir spüren ja jetzt schon die negativen Auswirkungen. In Deutschland erleben wir aktuell Klimawandel „at its best.“ Vor 50 bis 60 Jahren hatten wir hierzulande im Schnitt nur eine Handvoll Hitzetage über 30 Grad – 2018 gab es weit mehr als 30 Tage mit extremer Hitze. Auch in diesem Jahr setzt sich der Trend fort. Dabei hat sich die Atmosphäre gerade mal um rund ein Grad erwärmt. Kurz: Wenn wir den CO2-Ausstoß nicht stoppen, steuern wir auf eine Erwärmung von 4 Grad zu.

Können wir das Ruder noch rumreißen?

Thomas Ranft: Ja, sofern wir schnellstens dafür sorgen, dass CO2-Verursachung limitiert wird. Nur mit guten Ratschlägen erreichen wir jedoch keine Verhaltensänderungen. Wer argentinisches Steak isst, mit dem SUV zum Reisebüro fährt und eine Kreuzfahrt bucht, der fühlt sich nun mal toll. Darum müssen wir beim Menschen ansetzen, dafür sorgen, dass jeder von uns weniger CO2 verursacht. Klimawandel ist lebensgefährlich, so wie ein Autounfall. Und um in diesem Bild zu bleiben: Wir haben uns nicht angewöhnt, nur angeschnallt zu fahren, weil es eine gute Idee ist, sondern weil Fahren ohne Gurt ein Bußgeld nach sich zieht. Verhaltensänderung gelingt i.d.R. nur über Geld bzw. Sanktionen. Darum finde ich die CO2-Steuer ein wirkungsvolles Instrument. Dinge, die relevant für unser Zusammenleben sind, müssen per Gesetz geregelt werden. Alles andere funktioniert nicht dauerhaft.

Das Interview führte: G.K. Prenzel, Leitung Landesgeschäftsstelle Hessen.

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